16. Gesond sinn, gesond bleiwen

Gesundheitsförderung und Prävention

Die ADR versteht Gesundheitsförderung als ein Konzept, das auf die positive Definition von Gesundheit als Gestaltungskraft und Bewältigungsfähigkeit setzt. Gesundheit ist nicht nur, wie in der ursprünglichen Definition der Weltgesundheitsorganisation angeführt, ein Zustand des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, und Krankheit ist nicht nur, wie manche meinen, vorwiegend eine Frage der Selbstverschuldung. „Ungesundes Leben“ ist oft weniger Ausdruck gewollten oder unverantwortlichen Handelns, sondern leider zu oft Resultat spezifischer Lebensbedingungen, über die nicht jeder Mensch autonom entscheiden kann.

Die ADR unterstützt daher nachdrücklich die WHO-Resolution, in der es heißt: „Grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente der Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Ökosystem, eine sorgfältige Behandlung der vorhandenen Energiequellen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Jede Verbesserung der Gesundheit kann nur von einer solchen Basis aus erreicht werden“. Daher betrachten wir Prävention auch als besseres Verständnis von gesundheitlichem Handeln im Alltag. Wir respektieren und unterstützen dabei Eigenverantwortung als Ausdruck menschlicher Würde, Freiheit und Entwicklung.

Gesundheitsvorsorge muss für die ADR daher mehrstufig sein:

– primäre Prävention (Krankheitsvermeidung),

– sekundäre Prävention (Möglichkeit der Krankheitsfrüherkennung wie z.B. Vorsorgeuntersuchungen),

– tertiäre Prävention (nachhaltige Heilung, Bekämpfung von Rückfällen und Förderung der Rehabilitation).

Die ADR setzt sich daher ein für mehr Aufklärung durch Vermittlung von Wissen und Orientierung und für die Stärkung der Patienteninteressen in gesundheitlichen Fragen. Eine unabhängige Beratungsstelle sollte den Patienten alle gewünschten Informationen geben können.

Spezifisch steht die ADR  für kostenlose, altersspezifische und zielorientierte Aufklärungskampagnen und Vorsorgeprogramme. Hierbei soll der Staat den Menschen keinen Lebensstil aufzwingen, sondern er soll sie bestmöglich, also ehrlich, umfassend und objektiv über gesundheitsrelevante Themen informieren.

Für die ADR ist es eine Selbstverständlichkeit, dass im gesamten Gesundheits- und Pflegewesen, das Personal der luxemburgischen Sprache mächtig sein muss. Insbesondere für ältere Menschen ist dies von größter Wichtigkeit. Die Krankenhäuser sollen daher für Behandlungsfehler haftbar sein, die dadurch entstehen, dass das Personal nicht der luxemburgischen Sprache mächtig ist.

Ein ganzheitliches Gesundheitsprogramm soll alle Menschen in ihren alltäglichen Lebenszusammenhängen, sowie einzelne Risikogruppen erfassen und unterstreicht, dass es keinen politischen (z.B. Sozial-, Umwelt-, Verkehrs-, Landwirtschaftspolitik etc.) noch gesellschaftlichen Bereich (z.B. Frauen, Männer, Arbeitsrecht, Städteplanung, Wohnungsbau etc.) gibt, der nicht Gesundheitsfragen berührt. Daraus leitet sich unsere Forderung ab, jede politische Maßnahme auf ihren gesundheitsfördernden bzw. krankmachenden Einfluss zu prüfen. Eine Gestaltung des Gesundheitswesens allein oder vorwiegend den Regeln des freien Marktes zu überantworten, ist als kurzsichtig und falsch abzulehnen. Der Staat darf hier nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden.

Das Referenzarztsystem soll bilanziert und, wenn nötig, verbessert werden.

Die Sonderhonorare (CP) sollen im Sinne einer größeren Transparenz präziser geregelt werden. Patienten müssen vom Arzt über eventuell von ihm berechnete Sonderhonorare im Voraus informiert werden.

Mehrwertsteuersätze auf Medikamente müssen stets auf dem absoluten, legalen Minimum liegen, wobei jede Erhöhung zu vermeiden ist.

Die ADR verlangt eine zügige Realisierung des Projekts einer digitalen Krankenakte im Sinne eines „dossier unique“, welches unter strengen Datenschutzauflagen im Einverständnis mit dem Patienten allen behandelnden Ärzten, und nur den Ärzten, Einsicht in die Krankenakte gewähren soll.

Die ADR möchte die Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen verbessern. Diesbezügliche Behandlungsmöglichkeiten sollen in mehreren Krankenhäusern geschaffen werden. Die Gesundheitskasse wird Therapien für chronische Schmerzpatienten und Patienten mit chronischem Leiden großzügiger zurückerstatten.

Die ADR tritt auch für eine weitere Verbesserung der Suchttherapien ein, sowie für eine verstärkte Unterstützung der Vereinigungen, welche in diesem Bereich tätig sind.

Die Umweltmedizin wird stärker gefördert. Wissenschaftliche Studien belegen, dass manche unserer Zivilisationskrankheiten zumindest teilweise auf die Anreicherung von Schwermetallen im menschlichen Organismus zurückzuführen sind. Die ADR will deshalb die Tests auf Schwermetallbelastung und gegebenenfalls die entsprechende Ausleitungstherapie fördern und verallgemeinern.

1. Die Gesundheitskasse

Die Gesundheitskasse darf nicht die Funktion einer Sparkasse übernehmen. Ihre Aufgabe ist es, die Versicherten zu unterstützen und ihnen die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie so schnell wie möglich wieder genesen können. Bürokratische Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden. So ist es z.B. von zweitrangiger Bedeutung, ob der Versicherte in einer Ambulanz sitzen oder liegen soll, wenn eine medizinische Indikation für diesen Transport vorliegt. Bei den Ambulanz-Taxis wird eine Qualitätskontrolle eingeführt.

Die ADR bekennt sich grundsätzlich zu einer liberalen Medizin und zum Recht des Patienten seinen Arzt frei wählen zu dürfen. So soll der Patient auch entscheiden dürfen, ob er in Luxemburg oder im Ausland behandelt werden möchte. Dasselbe gilt für medizinische Expertisen.

Änderungen der „Nomenclature“, die wesentlichen Einfluss auf Rückerstattung oder Nicht-Rückerstattung von Medikamenten und Pflegediensten haben, müssen unbürokratischer vonstattengehen und das Wohl der Patienten muss dabei im Mittelpunkt stehen. Die ADR spricht sich dafür aus, die Gebührenordnung regelmäßig zu überprüfen und den neuesten medizinischen Erkenntnissen anzupassen.

2. Maisons médicales

Die ADR verlangt eine kurzfristige Evaluierung der „Maisons médicales“ um den Bedarf einerseits an einer Ausweitung der Öffnungszeiten auch tagsüber und wochentags und andererseits an einer Aufstockung des ärztlichen und paramedizinischen Personals festzustellen und dementsprechende politische Entscheidungen zu treffen. Hierbei sollte auch der Osten des Landes über diese medizinischen Infrastrukturen verfügen. Auch die Stadt Wiltz sollte als möglicher Standort einer „Maison médicale“ in Betracht kommen. Da im Norden die zu bewältigenden Distanzen um medizinische Hilfe zu erlangen oft einen erheblichen Zeitaufwand mit sich bringen, ist die Verbesserung der Versorgung im Raum Wiltz von großer Wichtigkeit.

Die ADR tritt für eine Reorganisation des zahnärztlichen Notdienstes in den drei Gesundheitsregionen sowie im Osten des Landes ein. Diese werden an die „Maisons médicales“ angegliedert.

Die Notaufnahmen in den Krankenhäusern werden optimiert um eine schnellere Versorgung zu gewährleisten.

3. Kinder-und Jugendgesundheit

Gesundheitspolitik konzentriert sich derzeit vorwiegend auf Erwachsene. Für die ADR ist eine stärkere Fokussierung auf die Probleme und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen angebracht. Erkennung von Fehlentwicklungen, rechtzeitige Weichenstellungen und Maßnahmen der Verhaltensmodifikation sind entscheidend für die Prävention. Vorschule und Schule sind hier in ihren Möglichkeiten intensiver als bisher zu nutzen. Verbesserten kinder- und jugendgerechten Strukturen im Alltag sollte eine besondere Bedeutung zukommen.

Internationalen Vorbildern folgend sollte die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nicht nur besser dokumentiert, sondern auch Forschung, Diagnostik und Therapien intensiver auf die Bedürfnisse und die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen eingehen und dementsprechend koordiniert werden. Vielfach beruhen medikamentöse Therapien bei Kindern und Jugendlichen auf reinem Erfahrungswissen und können sich nicht auf ausreichende klinische Studien berufen. Im Interesse der Risikominimierung ist diese Lücke unter Beachtung internationaler Standards und strenger ethischer Richtlinien zu schließen.

4. Menschen mit Behinderungen

Die ADR stellt fest, dass Menschen mit Behinderungen auch in unserem Gesundheitssystem ungleich behandelt werden. Selbst im Bereich der stationären Versorgung ist Barrierefreiheit nicht garantiert und die geringe Zahl an barrierefreien Praxen reduziert die freie Arztwahl beträchtlich. Auf die Situation hör- und sprachbehinderter Menschen wird ebenso wenig eingegangen wie auf sehbehinderte und blinde Menschen.

Die ADR wird Möglichkeiten schaffen für die oft notwendige und wünschenswerte Mitaufnahme von Begleitpersonen bei stationären Behandlungen. Ärzten und Pflegepersonal werden Fortbildungsmöglichkeiten angeboten, die sich speziell mit dem Umgang von Menschen mit den verschiedensten Behinderungen befassen. Die Fortbildungsmöglichkeiten werden in enger Zusammenarbeit mit Info-Handicap (Centre National d‘Information et de Rencontre du Handicap) organisiert.

5. Alte Menschen – Geriatrie

Die Zunahme der Zahl an alten Menschen ist ein globales Phänomen. Für die ADR wird der Bedarf an qualifizierter Betreuung älterer Menschen, zu Hause oder in Institutionen, zum dominierenden Faktor der Planung zukünftiger Strukturen des luxemburgischen Gesundheits- und Sozialsystems. Die Behandlung und Betreuung alter Menschen erfordert eine Kombination kurativer, rehabilitativer und begleitender Verfahren durch ein multi-disziplinäres Team mit einer Sonderausbildung in Geriatrie.

Die Betreuung geriatrischer Patienten darf sich nicht auf die Kriterien der Verwahrung („warm, sauber und satt“) beschränken. Die ADR wird sich dafür einsetzen, dass diese Menschen ihre letzte Lebensphase positiv und bei gleichzeitigem optimalem Erhalt all ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten erleben können. (siehe auch Kapitel „De Liewensowend an Dignitéit“).

Mängel und Fehlentwicklungen im Bereich der Langzeitbetreuung schüren die Angst vor Altenheimen und werden oft zu Unrecht den betreuenden Personen angelastet. Eine ausschließlich medizinische Betrachtungsweise der Situation der pflegebedürftigen geriatrischen Patienten kann diese Probleme allein nicht lösen. Die Etablierung einer zeitgemäßen und humanen Geriatrie in Luxemburg kann hier nur dann Lösungsansätze bieten, wenn genügend personelle und institutionelle Ressourcen zur Verfügung stehen.

Rechtzeitige und ganzheitliche Hilfestellungen tragen dazu bei, den Bedarf an Langzeitinstitutionalisierung zu reduzieren. Für die ADR zielt eine verantwortliche Gesundheitspolitik daher auf eine Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Fähigkeit zur Führung eines autonomen und selbständigen Lebens der älteren Menschen ab. Dabei erscheint uns eine mögliche Wiedereingliederung in ihre gewohnte Umgebung vordringlich.

Die Pflegeversicherung wird so reformiert, dass das System dauerhaft finanzierbar ist. Anfragen an die Pflegeversicherung sollen grundsätzlich schneller beantwortet werden.

6.  Umgang mit psychisch Kranken

Die ADR ist sich der Tragweite der Probleme im Umgang mit psychisch Kranken bewusst. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet bis zum Jahr 2020 mit einem enormen Zuwachs an Kosten aufgrund psychischer Erkrankungen, der vor allem durch eine Steigerung der Behandlungskosten aber auch durch erhöhte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bedingt sein wird. Auch in Luxemburg haben die registrierten Krankenstandsfälle aufgrund psychischer Erkrankung in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Im langjährigen Vergleich nehmen auch Pensionierungen aufgrund von Invalidität wegen psychischer Krankheiten stark zu.

Die Zahl der Selbsttötungen liegt in Luxemburg im europäischen Vergleich erschreckend hoch. Psychisch Kranke sind somatisch Kranken in der Wertigkeit ihrer Krankheit, wie auch in ihren Rechten nicht gleichgestellt. Daher fordert die ADR den gesetzlichen Schutz psychisch Kranker vor jeglicher Diskriminierung und die Novellierung der Leistungsfinanzierung unter Aufwertung psychiatrischer und psychotherapeutischer Interventionen. Menschliche Zuwendung, Gespräche und Einzelpsychotherapie sind personalintensiv und können nicht durch reine Pharmakotherapien ersetzt werden.

Die ADR wird sich dafür einsetzen, den Zugang zu medizinischer Psychotherapie für die Patienten zu verbessern und lange Wartezeiten durch den Einsatz von mehr Fachärzten zu verkürzen. Die Kosten für die Psychotherapie sind prinzipiell von den Krankenkassen zu erstatten. Diese Kosten werden zum Teil ausgeglichen wenn den Patienten weniger Psychopharmaka verordnet werden.

Da der Zugang besonders zur psychologischen Psychotherapie derzeit für viele Menschen auch aus finanziellen Gründen in unserem reichen Land unverständlicherweise so stark eingeschränkt ist, besteht in Luxemburg eine völlig inakzeptable Zweiklassen-Medizin für psychisch Kranke, was noch dadurch erschwert wird, dass in vielen Fällen auch die Kosten für lebenswichtige Medikamente (z.B. bei ADHS –Kindern und Erwachsenen) von den Kassen nicht rückerstattet werden. Bei  den letztgenannten Diagnosen ist somit die einzig indizierte multi-modale/disziplinäre Therapie im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes für untere Einkommensschichten kaum erschwinglich. Verzögerte wie unterlassene Behandlungen bringen nicht nur zusätzliches individuelles wie gesellschaftliches Leid, sondern führen vielfach zur kostentreibenden Chronifizierung psychischer Erkrankungen.

Viele Kosten-Nutzen-Studien auf dem Gebiet der Psychotherapie zeigen, dass ärztliche und psychologische Psychotherapie im Vergleich zu routinemäßig eingesetzten rein medikamentösen medizinischen Behandlungsmaßnahmen nicht nur wirksamer, sondern auch kostengünstiger sind. Die zu erzielenden medizinischen und volkswirtschaftlichen Einsparungen übersteigen die Kosten für einen vermehrten Einsatz von Psychotherapie bei weitem.

Die ADR fordert einen bedarfsgerechten Zugang zur ärztlichen und psychologischen Psychotherapie, der es psychisch kranken Menschen ermöglicht, ohne finanzielle Hürden eine psychotherapeutische Behandlung zu erhalten. Die für Patienten kostenlosen Psychotherapie-Plätze im Rahmen von Konventionen mit den Kassen oder dem Gesundheitsministerium sind stark zu erhöhen. Bis zu einer weitgehenden Bedarfsdeckung hat sich deren Vergabe an sozialen und psychologisch-medizinischen Kriterien zu orientieren.

Die ADR wird auch in den Ausbau von Therapieplätzen investieren, wo große Versorgungslücken bestehen (Kinder- und Jugend-Psychotherapieplätze, muttersprachliche Psychotherapie für Migranten und Asylanten, Psychotherapieplätze für Menschen mit psychotischen Erkrankungen). Die diskriminierende Zugangsbeschränkung für diese wesentliche Leistung des Gesundheitswesens muss beseitigt werden.

So wie in anderen europäischen Staaten (beispielgebend ist hier seit 1991 Österreich) muss auch in Luxemburg das schon öfter angedachte, aber immer wieder an vielfältigen Widerständen, nicht zuletzt auch innerhalb der Ärzteschaft, gescheitertes Psychotherapiegesetz kurzfristig verwirklicht werden. Dieses soll die Psychotherapie als freien Beruf im Gesundheitswesen definieren und berechtigt Psychotherapeuten zur selbständigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung. Dies wäre eine Grundvoraussetzung, damit neben der medizinischen auch die psychologische Psychotherapie als Pflichtleistung der sozialen Krankenversicherung gesetzlich verankert werden könnte und somit die psychotherapeutische Behandlung der ärztlichen Hilfe gleichgesetzt wird.

Im Kapitel über die Wohnungsproblematik hat die ADR beschrieben, dass die Zurverfügungstellung ausreichend vieler Wohnungen, insbesondere für psychisch kranke Menschen, eine Priorität für sie darstellt. Psychisch Kranke sollen allein oder zu mehreren in betreuten Gruppen ein möglichst autonomes Leben führen können. Auch therapeutische Werkstätten werden konsequent unterstützt.

7. Umgang mit Demenzkranken

Für die ADR muss das Angebot der Pflegeversicherung quantitativ und qualitativ flexibel, entsprechend den realen Bedürfnissen, weiter ausgebaut werden, da die Lebenserwartung unserer Bevölkerung und damit auch die Anzahl der Demenzkranken ständig steigt. Die pflegebedürftigen Personen müssen die Möglichkeit haben, zu Hause oder in einem gewohnten Familienumfeld gepflegt zu werden. Die Solidarität innerhalb der und zwischen den Familien und den verschiedenen Generationen muss gefördert werden. Das Statut der „informellen Helfer“, die sich zu Hause um pflegebedürftige Angehörige kümmern, muss gesetzlich verankert werden.

Die ADR ist der Ansicht, dass es noch viel zu wenige Antworten gibt auf die scheinbar banale Frage, wie Demenzkranke und ihre Angehörigen leben und zurechtkommen. Pflege wird sich verändern. Wir werden in Zukunft ein neues Pflegedreieck haben: Unverzichtbar wird die Familie bleiben. Wir werden zusätzlich sehr gute soziale und pflegerische Dienste brauchen – ambulant und stationär. Und es wird zunehmend eine dritte Säule geben, die sich aus dem freiwilligen Engagement speist. Die meisten Menschen in unserem Land haben bislang mit dem Thema Demenz noch nichts zu tun. Es sei denn, sie kennen es aus der eigenen Familie. Viele Menschen sind sich noch nicht bewusst,  vor welch großer Herausforderung wir stehen.

Für die ADR stehen an erster Stelle Aufklärung und Information. Wir müssen beispielsweise den Angehörigen klarmachen, dass sie sich nicht schämen müssen für die auffälligen Verhaltensweisen ihrer Mutter oder ihres Vaters und sie nicht isolieren, sondern im Gegenteil offen mit der Erkrankung umgehen. Demenzkranke brauchen Kontakte, sie müssen Menschen um sich haben. Die Gesellschaft muss lernen, die Demenz als Krankheit und nicht als Katastrophe anzunehmen.

Die ADR wird sich dafür einsetzen, bestehende Strukturen auszubauen und neue Strukturen aufbauen. Sonst scheitern Familien dramatisch und gehen kaputt. Die Pflegezeit für Angehörige, die mit der Pflegereform eingeführt wurde, war ein wichtiger Schritt. Die ADR wird diese Reform weiter begleiten und regelmäßig auf ihren Nutzen für die Betroffenen – Patienten und Familien – auswerten lassen.

Angehörige suchen oft verzweifelt jemanden, der schlicht und einfach für den Dementen da ist. Die ADR möchte dieses Thema nicht der Illegalität überlassen. Man muss abgestufte Betreuungsformen finden, angefangen bei spezialisierten Fachkräften, die punktuell eingesetzt werden und dann zum Beispiel die Tabletteneinnahme kontrollieren, bis hin zu Menschen, die länger für den Demenzkranken da sind und einfach Zeit haben.

Die Familien brauchen ehrenamtliche Betreuer für Demenzkranke. Hier ist auch an die Generation der 65- bis 80-Jährigen zu denken, die körperlich und geistig fit ist wie noch nie. Viele Menschen aus dieser Generation sind in hohem Maß bereit, sich zu engagieren.

In erster Linie hat aber die Politik die Aufgabe, Rahmenbedingungen für vernetzte Strukturen zu schaffen. Ein Arzt muss sagen können: „Ich kann Ihnen im Moment nicht weiterhelfen, aber hier gibt es ein Pflegenetzwerk, eine Angehörigengruppe oder eine Gedächtnissprechstunde.“ Die ADR wird sich dafür einsetzen bestehende Strukturen mit staatlicher Hilfe auszubauen und neue zu schaffen.

8.  Alternativmedizin

Unter dem Impuls der ADR hat die Abgeordnetenkammer vor fünf Jahren eine Motion über die Einführung der Homöopathie, Chiropraxis, Osteopathie und Akupunktur angenommen. Leider ist in den vergangenen Legislaturperioden von der Regierung „vergessen“ worden, diese Motion in die Praxis umzusetzen, mit der kleinen Ausnahme, was die Rückerstattung einiger homöopathischer Medikamente betrifft. Die ADR wird mit Nachdruck dafür sorgen, dass die in dieser Motion zurückbehaltenen Branchen der Alternativmedizin in Luxemburg anerkannt werden und deren Gesundheitsleistungen auch von den Krankenkassen zurückerstattet werden.

Nebenwirkungsarme Medikamente auf natürlicher Basis, deren Wirksamkeitsnachweis erbracht wurde, sollten so zurückerstattet werden wie alle anderen Medikamente.

9. Patientenrechte

Für die ADR ist das erste und wichtigste Recht für jeden Patienten das Recht einer „menschenwürdigen“ Pflege, insbesondere im stationären Bereich. Krankenhäuser und andere Institutionen im Pflegebereich müssen so organisiert werden, dass der Patient – Mensch im Mittelpunkt steht, dass dieser außer einer bestmöglichen ärztlichen Betreuung auch als Mensch wahrgenommen wird. Es kann nicht sein, dass wegen Mangel an Personal Patienten angewiesen werden, die Windel zu benutzen, weil niemand sie auf die Toilette begleiten kann! Oder, dass das Essen kalt wird, weil nicht genügend Personal auf dieser Schicht eingesetzt ist, um den vielen pflegebedürftigen Patienten beim Essen zu helfen.

Die Leistung des Pflegepersonals ist ein kostbares Gut, das in aller ersten Linie in der Pflege und am Dienst der Patienten einzusetzen ist. Die ADR wird dafür sorgen, dass in Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen das Pflegepersonal soweit wie möglich von administrativem Ballast befreit wird, zugunsten der Zeit, die sie den Kranken zu Verfügung stehen. Die nötigen administrativen Arbeiten sind, so weit wie möglich, von einem medizinischen Dokumentationsassistenten auszuführen.

In einem reichen Land wie Luxemburg, wo viele Menschen über Zusatzversicherungen verfügen, ist auch auf die Intimität der Patienten zu achten. Die Krankenhäuser müssen so renoviert oder ausgebaut werden, dass genug Einzelzimmer zur Verfügung stehen um den Anfragen der Patienten und deren Familien gerecht zu werden.

Die ADR ist desweiteren der Ansicht, dass zur Wahrung, Sicherung und Durchsetzung der Patientenrechte und –interessen weisungsfreie, neutrale und unabhängige Patientenvertretungen und Schlichtungsstellen geschaffen und deren Ressourcen deutlich aufgestockt werden müssen. Diese neutrale Patientenvertretung soll als Anlaufstelle dienen, welche den Patienten über seine Rechte aufklärt und ihm bei Problemen mit einem Angehörigen der Gesundheitsberufe zur Seite steht. Sie wird jedes Jahr einen Aktivitätsbericht vorlegen.

Im Sinne der Patientenrechte ist auch die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen zu verstehen. Die ADR strebt eine rasche und umfassende Verbesserung nationaler Qualitätsstandards im Rahmen der EFQM-Kriterien (European Foundation for Quality Management) bei gleichzeitiger Verbesserung von Dokumentations- und Kontrollsystemen im Gesundheitswesen an. Dazu muss frühestmöglich ein gesamtluxemburgischer Qualitätssicherungsplan erstellt, sowie ein System der landesweiten Qualitätssicherungskontrolle geschaffen werden.

Die ADR wird eine kleine aber effektive Gesundheitskontrollbehörde schaffen, um diese Qualitätsstandards auf nationalem Plan zu bestimmen (aufgrund internationaler Normen) und die notwendigen Kontrollen durchzuführen. Diese Behörde muss unabhängig vom Gesundheitsminister arbeiten. Sollten weiter Gesundheitsministerium und die Sécurité sociale dem gleichen Minister unterstellt sein, so ist diese Behörde z.B. dem Verbraucherschutz anzugliedern. Diese neue Behörde wird unter anderem die Standards in den Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen sowie dem „Laboratoire national de Santé“ überwachen.

Die Beratungsgremien sollen in Form eines vom Gesundheitsministerium unabhängigen, wissenschafltlichen Beirats zusammengefasst werden, welcher Forschung, Leitlinienausarbeitung und medizintechnische Folgenabschätzung vereint. Die Kompetenzzentren sollen gebündelt werden und in enger Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat und den fachärztlichen Vereinigungen ihre Zielsetzungen definieren.

Desweitern soll eine zentrale Datenstelle anonymisierte Gesundheitsdaten erfassen und auswerten und somit, unter der Berücksichtigung strengster Datenschutzregeln,  einen globalen Überblick über den Gesundheitszustand der Luxemburger Bevölkerung liefern.

10.  Behandlungsschäden – Modell einer neuen Medizinhaftung

Für die ADR bleibt der primäre Auftrag die Vermeidung von Behandlungsschäden durch ein verbessertes Qualitätsmanagement in allen Versorgungsbereichen. Dennoch können Behandlungsschäden nie gänzlich vermieden werden. Die gegenwärtige Situation im Bereich der Medizinhaftung ist unbefriedigend. Ansprüche sind häufig nicht durchsetzbar oder werden oft nicht geltend gemacht.

Ein zentrales Anliegen für die ADR ist daher, die Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt zu fördern und sicherzustellen. Die derzeitige Rechtslage bei Behandlungsschäden führt als „Konfrontationsmodell“ jedoch zu einer starken Belastung der Arzt-Patienten-Beziehung. Lange, teure und damit risikobehaftete Zivilprozesse mit „Gutachterkriegen“ beschreiben die derzeitige Problemlage. Um beide Seiten in einem Schadensfall ausreichend und adäquat abzusichern, bedarf es eines alternativen Modells einer Behandlungsversicherung, die zwischen den Extremen der bestehenden Arzt-Haftpflichtversicherung und einer Patientenversicherung angesiedelt ist.

Die ADR spricht sich für eine Verbesserung der Patientensicherheit durch die Erstellung eines Leitlinienkatalogs und der Einführung eines Berichtsystems für kritische Zwischenfälle in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern aus.

Die ADR bekennt sich zum Prinzip der “Responsabilité sans faute” (“No Fault”-System) für Ärzte und Krankenhausleiter. Diese Anwendung bringt auch eine erhebliche Verbesserung für den Patienten mit sich, da er, ohne dass er vor Gericht Klage führen muss, schneller und auf einfacheren administrativen Wegen Entschädigung erlangen kann. Der Patient oder die Versicherungen behalten dabei, unabhängig von der Entschädigung, das Recht, den Arzt vor Gericht anzuklagen.

Das Patientenrechtsgesetz soll neu gefasst werden um die Thematik der medizinischen Unfälle zu klären, die persönliche Haftung der einzelnen Berufe und Institutionen im Gesundheitswesen zu regeln, sowie einen Fonds zu schaffen für jene Unfälle, die ohne Fehlverhalten entstehen (aléa thérapeutique).

Im Sinne einer neuen Qualitäts- und Informationskultur zugunsten der Patienten sollen die schon bestehenden internen und externen Evaluierungssysteme zur Messung der Patientenzufriedenheit und Erfassung von Verbesserungsvorschlägen bei individuellen Ärzten und im Krankenhausbereich weiter ausgearbeitet werden, sodass dadurch nicht nur der Informationsfluss zwischen Ärzten und Krankenhausträgern einerseits und den Patienten andererseits verbessert werden kann, sondern auch im Sinne einer präventiven Gesprächskultur interne sowie externe Schlichtungsstellen ausgebaut bzw. geschaffen werden können. Die Dokumente zur Evaluierung werden sowohl dem betreffenden Krankenkaus wie auch dem Gesundheitsministerium und der neuen, neutralen Gesundheitskontrollbehörde zugänglich gemacht. Die Patientenvertretung kann in anonymisierter Form über diese Daten verfügen.

Krankenhäuser tragen eine direkte zivil- und strafrechtliche Verantwortung im Falle einer Infektion von Patienten während ihres Aufenthaltes, die durch einen Hygiene- oder Vorsorgemangel des Krankenhauses verschuldet ist. Die genaue Natur dieser Verantwortung und die Entschädigung könnten beispielsweise über die Prinzipien einer « responsabilité sans faute » oder eines « aléa thérapeutique » geregelt werden.

11. Reformen im Gesundheitssystem

Prinzipiell spricht sich die ADR für eine globale, also nicht sektorielle Steuerung, des Gesundheitswesens aus. Der Patient soll mit seinen Sorgen im Mittelpunkt stehen. Ein zu schaffendes Gremium zur Steuerung des Gesundheitswesens soll wesentlich öfter tagen als die jetzige “Quadripartite”.

Die Krankenhäuser sollten so organisiert werden, dass mehr Behandlungen und chirurgische Eingriffe  ambulant vorgenommen werden können. Der Verzicht auf eine stationäre Behandlung kann für den Patienten wesentlich einfacher und angenehmer sein und kann für das Krankenhaus eine große Kostenersparnis bedeuten.

Die ADR wird dafür eintreten, dass neben den Krankenhäusern Hotels mit medizinischer Betreuung entstehen. In der Tat befinden sich viele Patienten in einer Situation, in der sie eigentlich nicht mehr in einem Krankenhaus bleiben müssen, sondern wo ein Krankenbett mit Pflegepersonal vollkommen ausreichend wäre. Dies würde zu einer Entlastung der Krankenhäuser führen.

Die ADR tritt für eine Neuordnung des Finanzwesens in den Krankenhäusern ein. Dieses soll transparent gestaltet werden und sich gemäß geltender europäischer Normen an den tatsächlichen Kosten der medizinischen Leistungen orientieren.

Wo möglich sollen Synergien zwischen den Krankenhäusern geschaffen werden und Dienststellen zusammengelegt werden um Kosten zu sparen.

Die ADR steht auch zum Ausbau des Staatslaboratoriums, an dem progressiv neue Aktivitätszweige entwickelt werden sollen. Die Schaffung eines gerichtsmedizinischen Instituts ist hierbei vorrangig.

12. Bioethik

„Nur wenn die Menschenwürde die Machbarkeit am Zügel hält, wird die Richtungstimmen.“ (Dietmar Mieth: “Die Diktatur der Gene”)

Die ADR bekennt sich zu einer ganzheitlichen Sichtweise des Menschen. Jedem Menschen ist von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod die Würde einer Person und somit das Recht auf physische Unversehrtheit zuzuerkennen. Dieses Grundprinzip der Ehrfurcht vor dem Leben muss im Mittelpunkt des ethischen Nachdenkens über die biomedizinische Forschung stehen.

Die ADR bekennt sich zu einer Kultur des Lebens und zur Notwendigkeit, die Bildung der Gewissen zu fördern: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Die ADR betont, dass die moralische Ablehnung der Abtreibung auch auf die neuen Formen des Eingriffs auf menschliche Embryonen angewandt werden muss, die unvermeidlich mit der Tötung des Embryos verbunden sind, auch wenn sie Zwecken dienen, die an sich erlaubt sind. Die Verwendung von Embryonen oder Föten als Versuchsobjekt stellt ein Verbrechen dar gegen ihre Würde als menschliche Geschöpfe, die das Recht auf dieselbe Achtung haben, die dem bereits geborenen Kind und jeder Person geschuldet wird.

Die ADR bekennt sich zu einem absoluten Lebensschutz und zur Unantastbarkeit der menschlichen Würde, welche weder zu- noch abgesprochen werden können und sie lehnt die utilitaristische Unterscheidung zwischen Mensch und Person ab.

Die ADR wird die Palliativmedizin konsequent fördern und dafür Sorge tragen, dass genügend medizinisch qualifiziertes Personal zur Verfügung steht.

Die ADR wird auch weiterhin dafür eintreten, dass weder ein Krankenhaus noch ein Arzt oder irgendein anderes Mitglied des medizinischen Personals gezwungen werden können bei einer Abtreibung oder  einer Euthanasie mitzuwirken.

Die ADR warnt vor einer Fortschrittsdefinition, bei der nicht der Fortschritt des Menschen, sondern der Fortschritt von Wissenschaft und Technik im Mittelpunkt stehen und für die der Mensch Mittel, nicht aber Ziel geworden ist.

Die ADR betont, dass es in der Diskussion über die neuen Möglichkeiten der Lebenswissenschaften nicht in erster Linie um wissenschaftliche oder technische Fragen geht, sondern zuerst und zuletzt um Wertentscheidungen, welche davon abhängen, welches Menschenbild wir haben und wie wir leben wollen. Wenn wir ethische Grundsätze formulieren, bedeutet das, dass wir uns auf Maßstäbe und Grenzen verständigen.

Die ADR fordert deshalb ein generelles Verbot von Experimenten am Beginn des Lebens, welche dazu führen, dass Embryonen als Rohstoff benutzt, manipuliert oder zerstört werden, wobei hier besonders das Klonen von Embryonen zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen und die genetische Frühdiagnostik an künstlich erzeugten Embryonen (Präimplantationsdiagnostik) zum Zweck der Selektion zu nennen sind.

Im Bereich der embryonalen Stammzellforschung werden in beispielloser und ethisch äußerst fragwürdiger Weise die Hoffnungen kranker Menschen und ihrer Angehörigen instrumentalisiert und missbraucht. Die ADR fordert stattdessen eine konsequente Förderung der Forschung mit adulten Stammzellen, für die kein Embryo zerstört werden muss. Versuche am Menschen haben an den beiden Prinzipien Personenwürde und Lebensschutz ihre Grenzen.

Die ADR vertritt die Auffassung, dass niemand das Recht auf ein Kind hat. Hingegen haben Kinder sehr wohl Rechte und die gilt es ebenfalls in der Medizin zu verteidigen.

Die ADR wird die Leihmutterschaft gesetzlich verbieten (gestation pour autrui). Die künstliche Befruchtung (procréation médicalement assistée) wird gesetzlich geregelt um die Rechte des Kindes bestmöglich zu schützen.

Die ADR wird dafür eintreten, dass die gesetzlich vorgesehene zweite (psycho-soziale) Beratung vor einer Abtreibung in allen betroffenen Institutionen angeboten wird.

Die ADR erkennt die Wichtigkeit von Organspenden an. Sie möchte, dass auch in Luxemburg genügend Ärzte zur Verfügung stehen um Explantationen vornehmen zu können. Interessierte Spender sollen zu Lebzeiten selbst entscheiden können, ob sie alle ihre Organe zur Verfügung stellen oder ob sie das nur beschränkt erlauben möchten.

Das Widerspruchsrecht der betroffenen Menschen bzw. ihrer Familienangehörigen gegen eine Explantation wird klar geregelt. Auf der Internetseite sante.lu sowie auf den Spenderausweisen werden solche Wünsche oder Bestimmungen klar sichtbar vermerkt.